Inhalt:
Aufgaben
Die Bundesregierung lenkt und leitet die staatlichen Tätigkeiten und handelt als Impulsgeber (Regierungstätigkeit). Sie gestaltet die politischen Verhältnisse durch konkrete Maßnahmen (Verwaltungstätigkeit).
Konkret hat die Bundesregierung unter anderem das Recht Gesetzesvorlagen in den Bundestag einzubringen (Artikel 76 GG), Rechtsverordnungen zu erlassen (Artikel 80 GG), bei der Rechtsetzung der Europäischen Union mitzuwirken (Artikel 23 GG), den Vermittlungsausschuss bei Zustimmungsgesetzen anzurufen (Artikel 77 II GG) sowie das Recht Verwaltungsvorschriften zu Bundesgesetzen zu erlassen (Artikel 84 ff GG).
Regierungsbildung (Artikel 63 und 64 GG)
Die Regierungsbildung erfolgt in zwei Schritten.
Als erstes wird die Bundeskanzlerin oder der Bundeskanzler durch den Bundestag gewählt und durch den Bundespräsidenten ernannt.
Danach schlägt die Bundeskanzlerin oder der Bundeskanzler Ministerkandidaten zur Ernennung durch den Bundespräsidenten vor. Die Anzahl der Minister ist nicht im Grundgesetz festgelegt (sondern im Haushaltsgesetz) und ändert sich von Regierung zu Regierung.
Artikel 63 I und II
(1) Der Bundeskanzler wird auf Vorschlag des Bundespräsidenten vom Bundestage ohne Aussprache gewählt.
(2) Gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages auf sich vereinigt. Der Gewählte ist vom Bundespräsidenten zu ernennen.
Inkompatibilität
Die Bundeskanzlerin oder der Bundeskanzler und die Bundesminister dürfen gleichzeitig Bundestagsabgeordnete sein, aber kein anderes besoldetes Amt, kein Gewerbe und keinen Beruf ausüben und sie dürfen nur mit Zustimmung des Bundestags dem Aufsichtsrat eines auf Erwerb ausgerichteten Unternehmens angehören (Artikel 66 GG).
Regierungsarbeit (Artikel 65 GG)
Das Grundgesetz beschreibt und legt die Regierungsarbeit mit den folgenden drei Prinzipien fest:
Richtlinienprinzip / Kanzlerprinzip (Artikel 65 S 1 GG)
Die Bundeskanzlerin oder der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik (Richtlinienkompetenz) und trägt dafür die Verantwortung.
Sie oder er ist „Chef der Bundesregierung”.
Ressortprinzip (Artikel 65 S 2 GG)
Innerhalb der von der Bundeskanzlerin oder vom Bundeskanzler vorgegebenen Richtlinien sind die Minister für ihre Ministerien selbst verantwortlich und leiten diese selbstständig.
Kollegialprinzip (zum Beispiel Artikel 76, 80, 81 I, 52 II GG).
Die Mitglieder der Bundesregierung sind grundsätzlich gleichberechtigt und entscheiden gemeinsam. In Sitzungen haben sie gleiches Stimmrecht.
Die Bundeskanzlerin oder der Bundeskanzler führt im Kabinett (Ministerrunde) den Vorsitz („Erster unter Gleichen”).
Artikel 65
Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik und trägt dafür die Verantwortung. Innerhalb dieser Richtlinien leitet jeder Bundesminister seinen Geschäftsbereich selbständig und unter eigener Verantwortung. Über Meinungsverschiedenheiten zwischen den Bundesministern entscheidet die Bundesregierung. Der Bundeskanzler leitet ihre Geschäfte nach einer von der Bundesregierung beschlossenen und vom Bundespräsidenten genehmigten Geschäftsordnung.
Bundesregierung und Bundestag
Die Bundesregierung benötigt der Zustimmung der Parlamentsmehrheit und ist daher vom Bundestag abhängig. Deutlich wird dies durch:
- die Wahl der Bundeskanzlerin oder des Bundeskanzlers durch die Mehrheit des Bundestages
- die dem Bundestag gegenüber der Bundesregierung zustehenden Kontrollbefugnisse
- das konstruktive Misstrauensvotum / (die Vertrauensfrage an den Bundestag)
Wegen der Abhängigkeit der Bundesregierung vom Bundestag wird das Regierungssystem der Bundesrepublik als parlamentarisches Regierungssystem bezeichnet.
Im Gegensatz dazu ist bei einem präsidentiellen Regierungssystem die Regierung auch oder ausschließlich vom Staatsoberhaupt abhängig.
Kontrollbefugnisse des Bundestages gegenüber der Bundesregierung
Der Bundestag kann die Anwesenheit der Regierungsmitglieder verlangen (Artikel 43 GG). In Kleinen und Großen Anfragen, Aktuellen Stunden und Einzelanfragen (§§ 100 ff GOBT) kann der Bundestag umfassende Auskünfte von der Bundesregierung verlangen.
Konstruktives Misstrauensvotum (Artikel 67 GG)
Mit dem konstruktiven Misstrauensvotum kann der Bundestag die Bundeskanzlerin oder den Bundeskanzler und damit die gesamte Bundesregierung stürzen.
Der Bundestag wählt dabei mit der Mehrheit seiner Mitglieder (Artikel 121 GG) eine neue Bundeskanzlerin oder einen neuen Bundeskanzler (1. Schritt). Wenn der Bundestag eine neue Bundeskanzlerin oder einen neuen Bundeskanzler gewählt hat, muss der Bundespräsident die bisherige Bundeskanzlerin oder den bisherigen Bundeskanzler entlassen (2. Schritt) und die neu Gewählte oder den neu Gewählten ernennen. Mit der bisherigen Bundeskanzlerin oder dem bisherigen Bundeskanzler muss die gesamte Bundesregierung zurücktreten.
Dadurch, dass bei einem konstruktiven Misstrauensvotum nicht einfach eine Bundeskanzlerin oder ein Bundeskanzler abgewählt werden kann, sondern zuerst eine neue Bundeskanzlerin oder ein neuer Bundeskanzler gewählt werden muss, erschwert das konstruktive Misstrauensvotum den Sturz der Bundesregierung und vermeidet regierungslose Zeiten.
Ein konstruktives Misstrauensvotum des Bundestages gegen einzelne Minister ist nicht möglich.
Artikel 67
(1) Der Bundestag kann dem Bundeskanzler das Mißtrauen nur dadurch aussprechen, dass er mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen Nachfolger wählt und den Bundespräsidenten ersucht, den Bundeskanzler zu entlassen. Der Bundespräsident muß dem Ersuchen entsprechen und den Gewählten ernennen.
(2) Zwischen dem Antrage und der Wahl müssen achtundvierzig Stunden liegen.
Vertrauensfrage (Artikel 68 GG)
Bei der Vertrauensfrage liegt die Initiative beim der Bundeskanzlerin oder beim Bundeskanzler. Wenn sie oder er es politisch für notwendig hält, sich der Mehrheit im Bundestag zu versichern, zum Beispiel weil diese wegen knapper Mehrheitsverhältnisse unsicher ist, kann sie oder er im Bundestag den Antrag stellen „ihr oder ihm das Vertrauen auszusprechen”.
Um das Vertrauen des Bundestages zu erzwingen, verfügt die Bundeskanzlerin oder der Bundeskanzler als Druckmittel gegenüber dem Bundestag über die Möglichkeit bei einer gescheiterten Vertrauensfrage dem Bundespräsidenten die Auflösung des Bundestages und damit Neuwahlen oder die Verkündung des Gesetzgebungsnotstands (Artikel 81 GG) vorschlagen zu können.
Die Vertrauensfrage kann, abweichend von ihrem eigentlichen Sinn und verfassungsrechtlich nicht unumstritten, auch gezielt dazu benutzt werden Neuwahlen des Bundestages zu erzwingen, wenn die Bundestagsmehrheit und der Bundespräsident dabei mitspielen.
Artikel 68
(1) Findet ein Antrag des Bundeskanzlers, ihm das Vertrauen auszusprechen, nicht die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages, so kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers binnen einundzwanzig Tagen den Bundestag auflösen. Das Recht zur Auflösung erlischt, sobald der Bundestag mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen anderen Bundeskanzler wählt.
(2) Zwischen dem Antrage und der Abstimmung müssen achtundvierzig Stunden liegen.
Ende der Regierungstätigkeit
Das Amt der Bundeskanzlerin oder des Bundeskanzlers endet automatisch mit dem Zusammentritt eines neuen Bundestages (Artikel 69 II GG), durch ein erfolgreiches Konstruktives Misstrauenvotum (Artikel 67 GG) oder durch freiwilligen Rücktritt der Bundeskanzlerin oder des Bundeskanzlers.
Das Amt der Bundesminister endet mit Ablauf des Amts der Bundeskanzlerin oder des Bundeskanzlers (Artikel 69 II GG), durch Entlassung auf Vorschlag der Bundeskanzlerin oder des Bundeskanzlers (Artikel 64 I GG) oder Entlassung auf eigenen Wunsch.
Artikel 69 II
Das Amt des Bundeskanzlers oder eines Bundesministers endigt in jedem Falle mit dem Zusammentritt eines neuen Bundestages, das Amt eines Bundesministers auch mit jeder anderen Erledigung des Amtes des Bundeskanzlers.